Vom stillen Glück der Verletzung

 

Es hat mich erwischt. Letzten Mittwoch, daheim auf der Matte, als ich mich mit großem Schwung in Niralamba Sarvangasana, einen Schulterstand ohne Arme, hochrollte. Aus dem Stehen. Idiotisch und keinesfalls zur Nachahmung empfohlen.

In meiner Brustwirbelsäule knirschte es, und noch bevor ich aus der Pose herausgerollt war, wusste ich, dass ich mich verletzt hatte. Ich habe seit jeher einen Körper, der viele Dummheiten verzeiht und bin daher im Umgang mit Verletzungen nicht besonders geübt. Doch die Praxis hat mich in den letzten Jahren gelehrt, aus jeder Situation das Beste zu machen und Probleme als Chance für Wachstum zu erkennen. Eine gute Gelegenheit, beschloss ich, um einiges über Verletzung und Heilung aus erster Hand zu erfahren.

Zuerst kam die Angst. Oh Gott, ist das ein Bandscheibenvorfall? Und der Ärger. Warum war ich so dumm und unachtsam? Wie sollte ich so kreuzlahm unterrichten? Für Yogalehrer gleicht eine in der Praxis entstandene Verletzung ja quasi dem Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit, ließ mich mein Ego wissen. Wirft mich das jetzt um Jahre auf dem Weg zur Erleuchtung zurück? (Als ob die Erleuchtung von der Tiefe meiner Rückbeuge abhinge!) Und: Wird alles jemals wieder so, wie es vorher war? (Süße Idee, natürlich bleibt nichts jemals wie es war!) Doch dann regte sich etwas Anderes in mir, eine Art liebevolles Mitgefühl für mein kleines Ich.

Seit einer Woche lebe, praktiziere und unterrichte ich nun mit Schmerzen auf der rechten Seite und Taubheit in der rechten Hand. Und bin allen Ernstes glücklich und dankbar. Ich bin sehr behutsam mit mir und kultiviere jeden Tag eine liebevolle und heilsame Präsenz, die vom Herzen aus meine Verletzung durchdringt. Ich habe gelernt, in mein „Gebrechen“ hinein zu entspannen, es vollständig anzuerkennen und zu meiner Situation JA zu sagen. Meine persönliche Praxis ist langsamer, sanfter und stiller geworden, eine Art Innehalten im dynamischen Strom meines Lebens. Ich genieße das sehr.

Tatsächlich läuft alles viel besser als erwartet. Die Schmerzen sind beinahe verschwunden, die Taubheit weicht allmählich. Zurück bleibt ein Gefühl von großer Dankbarkeit für die Heilung, die ich erfahre. Die ich mir selbst zuteil werden lasse. Und die tiefe Transformation, die ich erlebe: Wo aus Verletzung Heilung entsteht, egal, ob auf körperlicher oder seelischer Ebene, entfaltet sich ein Stück vom großen göttlichen Potential, das in uns allen schlummert.