Die erwachende Kundalini

 

Gestern im Online-Kurs zum Vijñāna Bhairava Tantra ging es um die Kundalini-Praktiken, die uns der Text überliefert. Kundalini, die berüchtigte Schlangenkraft tief im Becken, ist ein tantrischer Klassiker, von dem dank „Arthur Avalon“ (Autor von „The Serpent Power“, dem ersten modernen Buch über Tantra) fast jeder schon mal gehört hat. Doch was hat es mit dem Erwachen der schlafenden Schlange auf sich?

Kundalini (wörtlich: „eingerollt“) symbolisiert das volle schöpferische Potential, das uns Menschen, in der Tiefe unseres Beckens schlummernd, innewohnt. Wir versuchen im tantrischen Yoga, es mittels verschiedener Praktiken zu erwecken, damit es aufsteigen und alle Aspekte unseres Seins durchdringen kann.

Dieses berühmte Kundalini-Awakening stellen sich viele als explosiven Prozess vor, der uns in Form eines inneren Feuerwerks in einen immerwährenden LSD-Trip der Glückseligkeit sendet. Es mag Fälle geben, auf die das zutrifft. In meiner persönlichen Erfahrung jedoch ist es eine ganz allmähliche Entwicklung über Jahre und Jahrzehnte, in der sich unser menschliches Potential als spürbarer Energiestrom zu entfalten beginnt.

Diesen Energiestrom vom Becken in den Kopf kannst Du wahrnehmen, wenn Du in Meditation am Ende der Einatmung mit einem sanften Mulabandha die Kundalini-Energie in den Zentralkanal einlädst. Oder – wesentlich spektakulärer – als regelrechte Fontäne, die, einem Geysir gleich, in Dir aufschießt im Moment des Orgasmus.

Es ist kein einmaliger „Big Bang“, sondern ein stetiger Prozess, ein immerwährender Strom, der die beiden Aspekte Deines Seins, Becken und Kopf, Erde und Himmel, in Dir verbindet und integriert. Mal unmerklich, mal explosiv.

Und dieser Prozess beginnt Dich allmählich zu verändern: Er macht Dich empfänglicher und feinfühliger. Du nimmst jetzt so viel mehr wahr. Spürst Deinen feinstofflichen Körper – nicht als abstraktes Konzept, sondern ganz real. Du „downloadest“ die besten „Einfälle“ (kontempliere dieses wundervolle Wort!) aus dem Äther und wunderst Dich selbst, woher sie kommen. Du hast überraschende Einsichten und erstaunlich viel Energie, bist inspiriert und inspirierend.

Die Göttin tanzt in Dir.
Etwas in Dir ist erwacht.