Mit dem Leben fließen

 

Natur ist zyklisch und pulsiert in rhythmischen Kreisen. Der Kreis, den die Erde alljährlich um die Sonne zieht, schenkt uns die Jahreszeiten. Die Kreise, die der Mond um die Erde zieht, bedingen Ebbe und Flut und unseren weiblichen Zyklus. Die Drehbewegung der Erde um die eigene Achse erleben wir als Tag und Nacht. Unsere menschliche Natur, Biologie und Lebensweise haben sich im Einklang mit diesen Zyklen entwickelt. Bis technischer Fortschritt und moderne Lebensanforderungen sie nach und nach aus unserem Bewusstsein verdrängten.

Das Leben im 21. Jahrhundert ist erschöpfend. Technologische Innovation boomt, um unser Leben zu vereinfachen – und wir sind wir so müde wie nie zuvor. Eine der Ursachen dafür ist unser antizyklischer Alltag: Wir haben das Gespür für den natürlichen Rhythmus des Lebens verloren.

Die Natur folgt einem regelmäßigen Pulsieren zwischen Phasen des Wachstums und der Regeneration. Ich übertrage das auf unseren Alltag mit: „nach innen leben“ und „nach außen leben“. Betrachte einfach den Jahreskreislauf: Seinen Höhepunkt erreicht er zur Sommersonnenwende, wenn die Tage am längsten sind. Das ist eine Phase, in der wir typischerweise nach außen leben – wir sind unterwegs, gesellig, aktiv.

Der Gegenpol dazu ist die Wintersonnenwende, die in unsere Weihnachtszeit fällt. Die Natur ruht, die Nächte sind lang. Es ist eine wichtige Phase der Regeneration, die den Grundstein für den nächsten Frühling legt. Unserem natürlichen Rhythmus folgend, sollte es eine Zeit der inneren Einkehr sein, die viel besungene „stille Zeit“. Die Realität des modernen Dezembers ist hinlänglich bekannt, wenn just zu Weihnachten der alljährliche Stress seinen traurigen Höhepunkt erreicht.

Das Prinzip, im natürlichen Rhythmus nach innen und außen zu leben, gilt auch für den monatlichen Zyklus von uns Frauen. Hier pulsieren wir zwischen der sonnigen Euphorie des Eisprungs und der mehr oder weniger ausgeprägten Dunkelheit der Menstruation, einer Zeit des Rückzugs. In Naturvölkern leben Frauen angepasst an den Rhythmus ihres Körpers. In unserer Leistungsgesellschaft gibt es keinen Raum dafür, wir funktionieren im Rhythmus von Industrie und Wirtschaft, ohne große Rücksicht auf die eigenen Befindlichkeiten.

Doch dieser antizyklische Lebensstil hat seinen Preis: Er ist beschwerlich, weil wir nicht mit dem Strom der Natur fließen, sondern dagegen anschwimmen. Wir bezahlen Fortschritt und materiellen Wohlstand mit Überforderung und Erschöpfung. So lange schon haben wir Menschen uns der inneren und äußeren Natur entfremdet. Wir sind Fremde auf diesem Planeten, oft genug sogar Fremde im eigenen Körper. Es ist Zeit, nach Hause zu kommen und wieder zu lernen, in Harmonie mit der inneren und äußeren Welt zu leben.