Die andere Seite der Praxis

 

Wir steigen auf die Matte, wir fließen, wir schwitzen, wir dehnen und strecken. Danach fühlen wir uns herrlich aufgeräumt und entspannt. 

Dann fahren wir heim oder zurück ins Büro. Und dort ist alles beim alten – der Stress, der Streit , die Anspannung, die Überforderung, die Angst, nicht zu genügen. Das geht so, jahrelang. Obwohl wir schon beinahe die Beine hinter dem Kopf verschränken können, hat sich in unserem Leben nicht wirklich etwas verändert.

Bis uns irgendwann dämmert, dass die wahre Praxis dann beginnt, wenn wir die Matte zusammenrollen und sich die Studiotür hinter uns schließt. Sie findet statt in unseren einsamen Stunden voller Selbstzweifel. An frustrierenden Bürotagen, an denen wir scheinbar nichts „gebacken kriegen“. Auf dem Elternabend, wo uns aufgeht, dass all unsere Versuche perfekter Erziehung unsere Kinder nicht vor den üblichen schulischen Katastrophen bewahren konnten. Nach dem Abendessen, wenn wir die letzten Reserven mobilisieren müssen, um jetzt auch noch den Abwasch zu machen. Und morgens, wenn der Wecker klingelt.

All diese Situationen, von denen Dir einige wahrscheinlich bekannt vorkommen, sind wunderbare Anlässe, genau jetzt und hier zu praktizieren. Wir üben uns in Akzeptanz und Vergebung. Wir lernen, hinein zu entspannen, in das, was ist.

 „Auch dies“, lautet ein buddhistisches Mantra, das mir lieb und teuer ist. Auch dies gehört zum Leben. Auch dies darf sein.

Es ist der Seufzer, mit dem wir loslassen und uns dem Sein ergeben. Es ist die andere, stillere Seite der Praxis.

Es ist der Weg in die innere Freiheit.